Dritter Seelsorgebrief Corona vom 28. März 2020


Liebe Freunde,

nun beginnt die dritte Woche, in der wir ertragen müssen, dass wir hier in Spanien eine beinahe komplette Ausgangssperre haben. Wie geht es Euch damit? Ich habe bei mir selbst feststellen müssen, dass selbst die anfangs als kleine Freiheit empfundene Möglichkeit, Lebensmittel einkaufen gehen zu können, von mir immer weniger als ‚Freisein’ empfunden wird. Das Gefühl, mich nicht frei entfalten zu können, bestimmt mich sehr. Aber angesichts der vielen Erkrankungen und Todesfälle gerade hier in Spanien wird es wohl notwendig sein, noch länger durchzuhalten.

Ich habe in den letzten Tagen häufiger auf den Predigttext dieses Sonntags geschaut. Er kommt an diesem Sonntag ‚Judika’ aus dem Hebräerbrief, aus dem letzten Kapitel (Kap. 13) und mündet in diesen Vers (14): „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Viele haben den Vers sicher schon auf Beerdigungen gehört. Aber eigentlich ist der Hintergrund ein anderer.

Der Hebräerbrief versucht eine Linie aufzuzeigen, die beginnt mit den Tempelritualen in Jerusalem hin zu dem Kreuzestod Jesu. Dabei interpretieren die Verfasser den Tod Jesu als Opfer - so, wie der Hohepriester im Tempel Opfer dargebracht hat, wird der Tod Jesu als Opfergabe gedeutet. Manch einem fällt diese Deutung des Todes Jesu schwer. Denn warum sollte Gott ein Opfer wollen? Ist der Vater Jesu und unser aller nicht Gott der Liebe?

Es lohnt sich, die Verse, die vor dem oben zitierten stehen, genauer anzusehen. Da geht es nämlich darum, dass im Tempelritual die Tiere, die geopfert werden, nicht etwa im Allerheiligsten, sondern außerhalb des Tempelbezirks verbrannt werden. Und der Hebräerbrief erklärt, dass auch Jesus nicht etwa innerhalb der inneren Stadt Jerusalem gekreuzigt worden ist, sondern draußen, an der sogenannten Schädelstätte, also außerhalb des heiligen Bezirks. Und hier wird die Parallele gezogen von dem Tod Jesu zu unserem eigenen Leben: Wir sind, um im Bild zu

bleiben, auf der Suche, denn dort, wo wir uns sonst eigentlich aufhalten - also innerhalb der Stadt -, da gibt es für uns keine Lebensperspektive mehr.

Wie klingt das inmitten der Corona-Pandemie, die unser Leben erfasst hat? Sollte es etwa so sein, dass wir hier sowieso nichts mehr finden werden, uns also aufgeben sollten?

Ich interpretiere unseren Text so, dass genau das Gegenteil gemeint ist. Wir sollen überhaupt nicht lethargisch warten, was da vielleicht noch auf uns zukommen wird. Aber es geht schon darum, dass wir Jesus folgen. Und das ist kein leichter Gang. Wir merken das ja schon an den Einschränkungen unseres Alltags. Aber wieviel mehr müssen damit die klarkommen, die plötzlich ohne Einkommen dastehen und kein Auskommen mehr haben! Sicherheiten und auch Zuversicht brechen weg.

Mir kommt dabei in den Sinn, dass Jesus in der Nacht vor seiner Kreuzigung im Garten Gethsemane war und gebetet hat. Erst darum, dass der Kelch an ihm vorüber gehen würde und dann darum, dass er Kraft haben möge, den Kelch zu trinken. Mit zitternden Händen vielleicht? Mit angsterfülltem Herzen? Mit peinigenden, die Luft wegnehmenden Schmerzen?

Hier, in dieser Situation, finden sich doch viele wieder. Nicht in der unreflektierten Stärke. Sondern in der Schwäche, die darum bittet, genug Kraft zu haben, um durch die beängstigenden Situationen dieser Pandemie hindurchgeführt zu werden.

Finden wir dabei eine neue Stadt? Neue Lebensumstände? Vielleicht auch verschüttet gegangene Werte? Ich wünsche uns das von ganzem Herzen. Und von ganzem Herzen wünsche ich all denen, die erkrankt sind, Genesung. Trost denen, die den Tod lieber Menschen beklagen müssen. Und Mut denen, die einfach nur noch Angst haben um ihre Zukunft. Uns allen den Segen Gottes!

Euer Detlef Schwartz.  


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